Die Anfänge (50er / 60er Jahre)
Wuselig ist es irgendwie. Auf dem Sportplatz der Anlage des VfR-Lasbeck befinden sich innerhalb einer Spielhälfte ungewohnt viele Markierungen. Die Sonne tut ihr Bestes, es ist Sommer im Jahr 2013. Ein Fußballturnier, Hobbykicker, ausgelassene Stimmung! Armin Finger steht gelassen am Bierwagen, betrachtet entspannt und mit scheinbar aller Ruhe, so wie man sich in seinem Alter wohl so ziemlich alles mit aller Ruhe ansieht, das bunte Treiben am Sportplatz: viele Gäste, ein großer Grill dampft im Zentrum des Geschehens, eine Tombola, kreischende Kinder, volle Biergläser werden in durchlöcherte Holzlatten gesteckt und ausgegeben, jöhlende junge Männer in Fußballklamotten, die Brust befreit vom nassen Trikot. Erschöpft, und glücklich!
Es ist kurz vor 15 Uhr. Armin hat ein braunes Kuvert bei sich, ruhig hält er es in seinen großen Händen. Er trägt einen weißen Hut, um sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Seinen weißen Oberlippenbart trägt er akkurat gestutzt. In seinem roten Polo-Shirt und der hellen Hose schaut er sportlich, irgendwie elegant aus. Als er mich durch das Gewusel erblickt, kommt er direkt zur Sache. Er grüßt höflich und führt mich in einen ruhigen Raum, öffnet ohne viel Umschweife sein braunes DIN A-4 Kurvert. Darin: alte Photoaufnahmen, quasi aus der Gründerzeit. Dazu: viel Geschichte! Ich treffe Armin, damit er mir vom Verein erzählt, unserem Verein. Er war dabei, als der Verein gegründet wurde - praktisch ein Kind der ersten Stunde. Als Spieler (Mittelstürmer/Rechtsaussen) sowie bereits im zarten Alter von 22 Jahren ab 1961 war Armin für ca. fünfzehn Jahre als Geschäftsführer für den VfR-Lasbeck aktiv unterwegs. Von draußen dröhnt dumpf der lebhafte Lärm von feiernden Leuten in den Raum, Armin öffnet behutsam den Umschlag.
Wenn wir uns heute alle Woche für Woche zusammen beim VfR einfinden, Fußball spielen und über Gott und die Welt plaudern, dabei vielleicht eine heiße Bratwurst oder ein kühles Erfrischungsgetränk in unseren Händen halten, so denkt man meist ja eher vorwärts gerichtet, überlegt, welche kommenden Aufgaben in Zukunft dieser Verein und seine Mitglieder meistern könnte. Da erreichen neue und junge Sportler den Verein, welche gerne Fußball spielen wollen und darüber hinaus freundschaftliche Kontakte knüpfen können. Diese eher als selbstverständlich anmutenden Beweggründe wie sportliches Interesse oder die Lust auf einen bunten zwischenmenschlichen Austausch fanden ihren Ursprung im Jahr 1951, als der VfR Lasbeck-Stenglingsen mit dem Titel „e.V. - eingetragener Verein“ aus der Taufe gehoben wurde! In strapaziösen und belasteten Nachkriegszeiten, als die Bürger damit beschäftigt waren, sich mühsam wieder in einem „normalem Leben“ einzurichten, fanden sich eine handvoll Männer in Lasbeck und Umgebung zusammen, um den Gedanken eines sympathischen Beisammenseins in dieser schweren Zeit des Umbruchs der noch jungen Bundesrepublik in die konkrete Idee eines geselligen Vereinslebens umzumünzen.
„Die Anfänge im Gasthof „Humpert“
Die Gaststätte „Humpert“ - den Jüngeren noch bekannt als das Haus-Pax - wurde als Vereinslokal auserkoren und galt fortan als Mittelpunkt von Vereinssitzungen und Anlaufpunkt für ein geselliges Beisammensein. Allzu leicht war es nicht, in den Anfangszeiten, wie Willi Schnepper, 1.Vorsitzender im Rahmen des Geschäftsberichtes 1961 zum bevorstehenden 10jährigen Vereinsjubiläum betonte: „Für wahr keine atemberaubende Zeitspanne – aber wenn man berücksichtigt, daß man uns bei der Gründung nur ein Leben von höchstens einem Jahr geweissagt hat, dann allerdings sagen diese 10 Jahre sehr viel mehr aus!“. Wir alle wissen, dass weitere pessimistische Aussagen bzgl. eines potentiellen Vereinsuntergangs bis heute immer mal wieder aufflackerten, jedoch hat es dieser Verein immer wieder geschafft am Leben zu bleiben. Und dies haben wir auch den Männern der ersten Stunde zu verdanken: Willi Schnepper, Fritz Engelbrecht, Paul Alex, Heini Cierson, Manfred Niebecker oder Armin Finger, um an dieser Stelle nur einige der Protagonisten zu nennen. Sie haben damals ihre Zeit in den Verein investiert, um den VfR auf den Weg bringen, auf dem wir heute alle noch wandeln. Und was waren das für spannende Zeiten: dort, wo heute unbekümmert gebolzt und gekickt wird, stand früher nach dem Krieg noch schweres Kampfgerät der Alliierten. Dies übte natürlich auch eine spezielle und spannende Faszination gerade für die Kleinsten im Dorf aus!
So wie heute der Sportplatz im Rahmen von Modernisierungsdebatten im Mittelpunkt steht, galt auch damals dieser Gedanke - nur eben auf seine eigene Aktualität übertragen. Bereits im Jahr 1959 stellte der Verein einen Antrag für den Sportplatzausbau beim lokalen Städtebauamt in Letmathe. Wunsch und Ziel war eine moderne Anlage inklusive einer Spielfläche mit fast olympischem Ausmaß und einer, für damalige Verhältnisse, topmodernen „Rotgrantdecke“ - die Basis also unserer heutigen Asche! Vor diesen Überlegungen war die Sportfläche des VfR noch mit Rasen bedeckt, von daher also die logische, für die aktuellen sportlichen Akteure jedoch schwer nachvollziehbare Bezeichnung: Verein für Rasensport. Das Projekt erwieß sich jedoch als äußerst zäh, wobei der VfR damals wie heute mit einem hohen Anteil an Selbstbeteiligung und mit einem langen Atem seinem Traum von einer generalüberholten Top-Sportanlage gegenüberstand.
„12 Minuten zu früh abgepfiffen!“
Fußball gespielt wurde natürlich auch! Die I.Seniorenmannschaft agierte größtenteils in der Kreisklasse – damals wie heute in der Spielgruppe West. Die Reservemannschaft ackerte sich tapfer durch die III.Kreisklasse. 1957 stieg die I.Mannschaft in den Kreispokalspielen über Siege im Kreis Iserlohn in anderen Kreise auf. Der erste Gegner war damals der VfL Gevelsberg aus der Verbandsliga – die Lasbecker Jungs gewannen mit 3:1! Nach diesem unerwarteten Auswärtssieg spendierte der Verein seinen Spielern im Vereinslokal Humpert ein Mannschaftsessen: Kartoffelsalat mit Bockwurst – man ließ sich also nicht lumpen. Der nächste Gegner kam aus dem Sauerland - auch höherklassig - der SV Heggen. Das Heimspiel wurde dann jedoch mit 5:2 verloren. Doch nach mehreren Anläufen in der B-Liga (mehrere Male schloss man die Saison mit dem undankbaren zweiten Platz ab) klappte es dann endlich mit einem Ligaaufstieg in die A-Liga Mitte der 60er Jahre. Kenner spüren an dieser Stelle eine Parallele zur heutigen I.Mannschaft!
Natürlich gab es in diesen Zeiten auch einen eigenen Schlachtruf, wenn auch mitunter recht kernig, vor allem bei gemeinsamen Abenden in Humperts Kneipe aus vollen Kehlen gesungen: „Wir sind alle Lasbecker Jungen – wir sind alle prima Material – hauze mit vergnügtem Sinn immer in die Schnauze – rinn, hauze, hauze immer vorm Ballon!“ Andere Kuriositäten lieferte z.B. ein Meisterschaftsspiel des VfR Lasbeck I gegen das Team Grün-Rot Letmathe I. Der Schiedsrichter pfiff die Partie zur ersten Halbzeit um satte 12 (!) Minuten zu früh ab, so dass auf Antrag der Lasbecker eine Verhandlung bei der Kreissportkammer fällig wurde (mit dem anwesenden Spielführer Paul Alex, der angemessen protestierte!). Das der VfR am Ende der sportlichen Begegnung gegen Letmathe als Verlierer vom Platz ging, wurde beiläufig als nicht ausschlaggebend für den Protest seitens der Lasbecker hervorgehoben. Oder 1958 war in einem Schreiben des VfR an den damaligen KSK Vorsitzenden, Herrn Hubert Klein, gar von „dreisten und betrügerischen Machenschaften“ die Rede! Es hat sich im Vergleich zu heute also nicht viel geändert. So ist Fußball!
„Ein Dank geht an unsere Frauen, Bräute und Freundinnen“
In der Form etwas höflicher als heute ging es wohl auf den geselligen Vereinsabenden zur Sache. Darauf hingewiesen, das die Arbeit in einem Verein ja in der Regel sehr zeitaufwendig ist, folgt folgender Zusatz auf einer damals stattfindenden Vereinsfeier: „Im Besonderen gilt unser Dank an unsere Frauen, Bräute und Freundinnen, die so manchen lieben Sonntag allein zu Haus sitzen, um auf ihren Fussballnarren zu warten! Ja, meine Damen, wir wissen genau, was wir Ihnen damit antun. Aber, und jetzt müssen wir um Verständnis bitten, wir können nicht anders!“ Dem gibt es an dieser Stelle wohl nichts mehr hinzuzufügen.
Ein Highlight der damaligen Vereinsgeschichte war sicherlich der gemeinsame Austausch mit dem niederländischen Fußballverein „Westfriezen“ in Zwaag, nördlich von Amsterdam - in der Presse im übrigen als „kinderreichstes Dorf von Holland“ ausgezeichnet! Ein Bekannter und sportlich aktives Mitglied des VfR, Nick Slykermann, der seiner Zeit zurück in die Niederlande umgezogen ist, stellte die Möglichkeit in Aussicht, den VfR-Lasbeck am Pfingstwochende im Jahr 1961 als Gäste in seiner neuen, alten Heimat zu empfangen und zu einem sogenannten Fußball-Vergleich einzuladen. Diese Gelegenheit nahm der VfR begeistert wahr und reiste mit knapp fünfzig Personen an. Fahrkosten pro Person: 21 DM! „Da sind wir ganz offiziell vom Bürgermeister der Stadt persönlich begrüßt worden“, betont Armin Finger den für damalige Zeiten sicherlich nicht unüblichen feierlichen Rahmen solcher Gelegenheiten. Die I.Mannschaft wurde sogar im Vorfeld des geplanten Turniers mit einer Kapelle durch die Stadt zum Sportplatz begleitet - ein wohl stolzes Erlebnis für die Akteure des VfR!
Geplant war im Gegenzug, die Niederländer zum 10jährigen Vereinsjubiläum des VfR-Lasbeck-Stenglingsen bereits wenige Wochen später auf dem nun hoffentlich neuen Sportplatz zu empfangen. Doch leider zogen sich die Arbeiten am Sportplatz hin, und es wurde zunächst nichts daraus. Unterm Strich war es jedoch ein belebender und wohl auch nachhaltiger kultureller Austausch, der, so fügt Finger augenzwinkernd hinzu, auch die eine oder andere dauerhafte Liaison unter den Teilnehmern begünstigte.
Die Arbeiten am Sportplatz unterdessen waren weiterhin in vollem Gange. Für mehr als 50.000 Deutsche Mark und der Überwindung zahlreicher bürokratischen Hürden konnten die Arbeiten dann doch pünktlich zur neuen Saison im August 1963 fertiggestellt werden. Passender Weise konnte in diesem Jahr der Aufstieg in die A-Liga realisiert werden! Nun durften die Geduld-erprobten Lasbecker ihre Wettkämpfe nach der langen Bauzeit nun endlich wieder auf dem eigenem Platz austragen und begossen diesen Tag mit einer feierlichen Sportplatzeinweihung am 24.August 1963 mit allem, was eine offizielle Einweihung wohl zu bieten hatte!
„Kameradschaft und Freundschaft!“
Wenn wir nun abschließend den Blick wieder vorsichtig auf die Zukunft des Vereins richten, sollten wir dabei gleichzeitig noch einmal beruhigt auf eine Bemerkung zurückschauen, die vor nun mehr als 50 Jahren auf einer Vorstandssitzung des VfR Lasbeck getätigt wurde und doch bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat: „Was wir aber heute wollen und was wir heute können, daß ist die kameradschaftliche und freundschaftliche Atmosphäre innerhalb unseres Vereines zu fördern und neu zu beleben. Darauf kommt es in erster Linie in einer Gemeinschaft an! Wohin würde wohl ein Verein kommen, wenn jeder seinen eigenen Weg gehen würde, ohne auf den Anderen Rücksicht zu nehmen? Der Verein ginge vor die Hunde!“
Es ist nun ca.16 Uhr. Die Sonne scheint weiterhin, Armin packt ruhig, aber zielstrebig seine Sachen zusammen, verabschiedet sich, setzt sich seine weiße Mütze auf den Kopf und geht gemächlich durch das feucht-fröhliche Getümmel zu seinem Wagen. Er hat noch einiges zu fahren heute. Und bestimmt noch einiges zu erzählen. Seine Fahrt führt ihn nach Hause: er wohnt heute in Witten. Begonnen für ihn hat alles: in Lasbeck.
Text: Lasbecker Jung
Bilder und Gedächtnisprotokoll: Armin Finger
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Emotional und ergreifend verlief die Ehrung für echte Lasbecker Jungs: Gerd Niebecker, Manfred Niebecker und Alfred Pitt Alex erhielten für 50 Jahre Vereinstreue die Lasbecker Ehrenurkunde und die goldene Anstecknadel, die feierlich vom Hauptvorstand überreicht wurde. Ehre wem Ehre gebührt und danke Jungs für eure Treue!!